von Lisa Keilhofer

Wissenschaftler nehmen sich das bisher fast unerforschte Lungenmikrobiom vor

Das Lungen-Mikrobiom
Bis vor Kurzem war man in der Wissenschaft noch der Meinung, die Lunge sei ein steriler Raum.

Das Darm-Mikrobiom ist inzwischen relativ gut erforscht. Anders sieht es beim Lungen-Mikrobiom aus. Bis vor Kurzem war man in der Wissenschaft sogar noch der Meinung, die Lunge sei ein steriler Raum. Erst in den letzten Jahren ist uns bewusst geworden, dass auch in unserer Lunge eine Reihe von winzigen Helfern residiert, die unsere Gesundheit schützen. Die Apotheken Umschau veröffentlichte im April 2019 ein Interview mit dem Münchner Mikrobiologen Prof. Michael Schloter vom Helmholtz-Zentrum (>>> Zum Interview). Wir fassen hier den aktuellen Erkenntnisstand kurz für euch zusammen:

Was wissen wir über das Lungen-Mikrobiom?

Wir wissen inzwischen mit Sicherheit, dass es existiert, das war lange nicht der Fall. Das Lungenmikrobiom nachzuweisen bzw. zu beschreiben, ist vergleichsweise schwierig, da die Lunge von deutlich weniger Mikroben besiedelt wird als der Darm und diese auch noch relativ langsam wachsen. Es kann also schon als erster großer Forschungserfolg gewertet werden, dass das Mikrobiom überhaupt erforscht wird.

Ebenfalls mit Sicherheit sagen können wir, dass sich in der Lunge Prevotella Bakterien (>>> Prevotella) ansiedeln. Diese finden wir auch im Darm, im Mund und in der Vagina. Sie scheinen also für unseren Körper eine besondere Funktion zu haben. An dieser Stelle befinden wir uns allerdings noch im Bereich der Spekulation, denn was genau Prevotella in der Lunge bewirken, konnte noch nicht eindeutig nachgewiesen werden.

Welche Funktion hat das Lungen-Mikrobiom?

Die genaue Funktion konnte bislang noch nicht abschließend wissenschaftlich definiert werden, aber die bisherigen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass das Mikrobiom der Lunge hauptsächlich drei Funktionen erfüllt: Erstens, es fungiert als Barriere für einfallende schädliche Bakterien. Ob oder welche Funktion die Mikroben in der Lunge genau haben, ist noch nicht erforscht, aber es ist für den Körper in jedem Fall günstiger, „friedlichen“ Bakterien die Besiedlung zu gewähren und dadurch „schädlichen“ Bakterien den Zugang zu erschweren, denn bereits besetzter Lebensraum muss auch unter Mikroben erst erobert werden. Zweitens wird das Immunsystem stimuliert. Dadurch, dass gute Bakterien vom Immunsystem geduldet werden, ist die Reaktionsfreude umso größer, wenn „böse“ Bakterien einfallen (>>> mehr dazu). Drittens helfen die Mikroben in der Lunge beim Abbau von Schadstoffen, die über die Atmung in den Körper gelangen. Es wirkt also (ähnlich wie im Darm) als Pförtner, der gefährliche Stoffe nicht passieren lässt.

Was schadet dem Lungen-Mikrobiom?

An erster Stelle das Rauchen (vgl. auch unseren Artikel: Rauchen und das Mikrobiom). Daneben können aber auch andere Nanopartikel schädlich sein, die über Abgase, Umweltgifte, Kleinstpartikel in der Luft oder andere Einflüsse in die Lunge gelangen. Diese „kleben“ dann auf den Lungenbläschen und reagieren entweder mit den dort ansässigen Substanzen, wobei sie diese in ihren eigentlichen Aufgaben beeinträchtigen, oder sie irritieren das Gewebe, machen es undurchlässig für positive Stoffe oder gelangen als Schadstoffe in den Körper.

Am ehesten verdeutlicht sich ein gestörtes Lungen-Mikrobiom durch Asthma, das inzwischen ebenfalls beinahe zur Volkskrankheit avanciert ist, was leider schlimme Vermutungen über unsere allgemeine Atemluftqualität zulässt.

Was können wir tun, wenn das Lungen-Mikrobiom beeinträchtigt ist?

Zunächst einmal sollten wir die Störfaktoren möglichst eliminieren, also das Rauchen aufgeben und Umgebungen mit stark verschmutzter Luft vermeiden. Ärzte beurteilen auch und besonders für Asthmatiker Sport und Bewegung an der frischen Luft als positiv, um die Lungenaktivität anzuregen.

Die Wissenschaft arbeitet im Moment an Versuchen zu probiotischen Anwendungen für das Lungen-Mikrobiom. Im Moment gehen die Annahmen dahin, dass das „bakterielle Kommunikationsnetz“ (>>> mehr dazu) positiv verändert werden sollte. Ziel ist demnach, Stoffe zu identifizieren, die das Mikrobiom günstig verändern. Und hier gelangen wir wieder zum Darm. Dort werden nämlich – etwa durch die Gabe von D-Aminosäuren – Stoffwechselprodukte erzeugt, die dann über das Blut in die Lunge transportiert werden und auch dort ihre Wirkung entfalten. In Versuchen mit Mäusen konnten durch Gabe von D-Aminosäuren die Symptome von Asthma verringert werden. Ob und inwiefern sich diese Erkenntnisse auf das menschliche Mikrobiom übertragen lassen, ist Gegenstand der weiteren Untersuchungen.

In jedem Fall ist das lange unerkannte Lungen-Mikrobiom derzeit verstärkt im wissenschaftlichen Fokus.

Lisa Keilhofer
Lisa Keilhofer
Autorin

Lisa Keilhofer studierte an der Universität Regensburg. Sie arbeitet im Bereich Internationalisierung und als freiberufliche Lektorin.

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