von Cara Koehler

Sogar Hollywood lässt sich vom Trend der Achse Mikrobiom – Darm – Gehirn anstecken

Sogar im massetauglichen Unterhaltungsprogramm taucht inzwischen das Darm-Mikrobiom auf.
Sogar im massetauglichen Unterhaltungsprogramm taucht inzwischen das Darm-Mikrobiom auf.

Sowohl Laien als auch Wissenschaftler haben in den letzten Jahren das Mikrobiom als Schlüssel zur menschlichen Gesundheit wiederentdeckt. Sogar im massetauglichen Unterhaltungsprogramm taucht inzwischen das Darm-Mikrobiom auf. Kino und TV Produktionen tauchen oft ins öffentliche und politische Unterbewusstsein ab, besonders seit den 2018 erschienen Filmen wie "The Favourite", "A Star is Born", "Can You Ever Forgive Me?" und dem dem TV Drama "The Terror", dessen psychisch labile Charaktere mit Alkoholproblemen und Essstörungen kämpfen.

Mehr Gicht – Einst königlich, heute alltäglich

Die beiden 2018 erschienen Filmproduktionen "A Star is Born" und "Can You Ever Forgive Me?" zeigen einst berühmte Persönlichkeiten (ein Popstar, ein Schriftsteller), die zunehmend in Vergessenheit geraten und deswegen an Depressionen leiden, die dann noch durch Alkoholprobleme verschlimmert werden. Und das erfolgreiche Drama "The Favourite" handelt zwar nicht per se vom Darm-Mikrobiom oder Essstörungen, widmet aber doch erstaunlich viel Zeit Szenen, in denen man der Queen zusieht, die sich erbricht oder die an einem Gicht-Schub leidet – eine Krankheit, die Queen Anne von England zusammen mit einigen weiteren Persönlichkeiten des 17. Jahrhunderts in folge des ausschweifenden königlichen Ess- und Trinkverhaltens ereilt. Zurück im Jahr 2010 veröffentlicht die Harvard Medical School einen Artikel mit dem Titel „Mehr Gicht – Einst königlich, heute alltäglich“. Wie ein König zu essen mag für manche ein Weg sein, ihren Wohlstand zu demonstrieren, und so kehrt die Krankheit im 21. Jahrhundert als Folgeerscheinung zurück, denn immer mehr Menschen können sich luxuriöses Essen leisten.

"The Terror" thematisiert den englischen Adel und seine Verdauungsstörungen – Symptome wie Paranoia oder Halluzinationen werden zur Haupthandlung.

Ähnlich konzentriert sich die von AMC veröffentlichte Serie "The Terror" auf englische Adelsmänner und deren Verdauung: Untersuchungen ergaben, dass während der unglücklichen Franklin Expedition 1845-1848 die Offiziere und später auch Crew-Mitglieder bleiverseuchtes Wasser und Konservenessen konsumierten (letzteres galt damals als Luxusartikel). Von allen genannten Filmproduktionen ist "The Terror" vielleicht die psychologisch faszinierendste, denn „die heimtückische Unverdaulichkeit von Blei“ soll neben dem Körper auch die Psyche schwächen und machte somit die Besatzungsmitglieder anfälliger für Krankheiten wie Tuberkulose, Lungenentzündung oder Skorbut. Im Film werden Paranoia und Halluzinationen schließlich zur zentralen Handlung, der „Terror“, der sich der Crew bemächtigt – immerhin segeln die Unglücklichen für drei elende Jahre lang auf der Suche nach der Passage durch die Kanadische Arktis.

Es ist bekannt, dass Magen-Darm-Bakterien Verhalten und kognitive Prozesse beeinflussen

Aber hat der Darm wissenschaftlich belastbaren Einfluss auf den Zustand unserer Psyche? Jüngste Studien behaupten, ja, dafür gibt es Beweise. Drei Wissenschaftler (Lima-Ojeda et al.) veröffentlichten 2017 einen Artikel in "Frontiers in Psychiatry", in dem sie den Zusammenhang zwischen Darm-Mikrobiom, Gehirnströmen und Depressionen nachweisen wollen. Sie kommen zu folgendem Ergebnis:

Umfängliche Untersuchungen haben gezeigt, dass Darmbakterien – oder das Darm-Mikrobiom – nicht nur Auswirkungen auf unsere Ernährung und Verdauung haben, sondern auch unser Immunsystem beeinflussen (…). Es wurde beobachtet, dass Darmbakterien Verhaltensmuster und kognitive Prozesse beeinflussen.


Bessere Bäuche für bessere Gehirne

Diese Erkenntnisse scheint der Ausdruck „Bauchgefühl“ recht passend wiederzugeben. Vor einigen hundert Jahren, also in der Zeit, in der "The Favourite" und "The Terror" spielen, waren dies noch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse, aber trotzdem waren sich die Menschen des Zusammenhangs zwischen den beiden bewusst. Was wir heute definitiv sagen können, ist dass „Gemüse, Vollkorn, Fisch und Obst unser Magen-Darm-Mikrobiom positiv beeinflusst“, ganz im Gegensatz zu einer opulenten „königlichen“ Ernährung bestehend aus mehr tierischen Fetten und Alkohol als aus Wildlachs und grünen Smoothies. Bessere Bäuche machen bessere Gehirne, vereinfacht gesagt. Der oben genannte Artikel von Lima-Odeja et. al. bezieht sich beispielsweise auf eine placebo-kontrollierte Studie, in der Häftlinge durch die Gabe von essentiellen Fettsäuren (EFAs), Vitaminen und Mineralstoffen ein verbessertes Sozialverhalten zeigten.

Die Mikrobiom-Darm-Gehirn Achse

Der Punkt, über den der Darm mit dem zentralen Nervensystem (ZNS) interagiert, ist in der Wissenschaft als Darm-Gehirn-Achse bekannt. Da das Mikrobiom das ZNS möglicherweise beeinflusst, fordern Forscher wie Lima-Odeja et. al., das Mikrobiom in diese Achse mit einzubeziehen, also die Mikrobiom-Darm-Gehirn-Achse. Wie es im Artikel heißt, zeigen bereits vorangegangene Studien, dass das Darm-Mikrobiom die Funktion des limbischen Systems, einschließlich Regionen wie Amygdala oder Hypothalamus, beeinflussen kann. Emotionaler Stress wirkt sich offenbar auf die Zusammensetzung des Darm-Mikrobioms und somit auf die Pathophysiologie von neuropsychiatrischen Störungen aus. Depression, Angstzustände und Autismus haben also offenbar ein gestörtes Darm-Mikrobiom zur Grundlage.

Picture: ©Lima-Ojeda et al. Fig. 1

„Lass die Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung“ – Hippocrates

In der Zusammenfassung des Artikels verweisen die Autoren darauf, dass die Frage der Beziehung des Menschen zu seiner Nahrung schon lange vor Hollywood thematisiert wurde. Der griechische Arzt Hippocrates drückte diesen Zusammenhang in folgender Maxime aus: „Lass die Nahrung deine Medizin sein und Medizin deine Nahrung“. Nach Jahrhunderten wissenschaftlichen Forschens bleibt die Idee, dass unsere Ernährung unser geistiges Wohlbefinden beeinträchtigt, nach wie vor aktuell. Aber wer es ermüdend findet, sich durch wissenschaftliche Abhandlungen zur Mikrobiomforschung zu wühlen, der kann seine Lektion auch aus den Filmveröffentlichungen 2018 lernen – und sich in 2019 gesund ernähren.

Cara Koehler
Autorin

Cara Koehler, geb. in Chicago, Illinois (USA) hat ihr Master-Studium in Deutschland an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erworben, wo sie zur Zeit als Doktorandin tätig ist. Sie arbeitet dazu freiberuflich als Übersetzerin und Lektorin wissenschaftlicher Texte.

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