von Lisa Keilhofer

Stuhl-Transfer von Mutter zu Baby gleicht Mikrobiom-Defizit nach Kaiserschnitt aus

Stuhl-Transfer von Mutter zu Baby
Stuhl-Transfer von Mutter zu Baby gleicht Mikrobiom-Defizit aus (Picture: © kieferpix - stock.adobe.com)

Werdende Eltern setzen sich heutzutage erfreulich intensiv mit der Frage auseinander, wie die Geburt aussehen sollte und ob ein Kaiserschnitt in Frage kommt. Sicherlich gibt es immer wieder medizinische Indikationen, die diese Art der Geburt notwendig machen, aber der Trend, Kinder per Kaiserschnitt „zu holen“, nur weil man es kann, ist zum Glück rückläufig. Einer der Gründe dafür ist, dass Kaiserschnittkinder erwiesenermaßen eine höhere Neigung zu diversen Krankheiten haben, darunter entzündliche Darmkrankheiten, rheumatoide Arthritis und Zöliakie. Als Ursache dafür wird das weniger optimal aufgebaute Darm-Mikrobiom dieser Kinder angesehen. Eine Studie der Universität Helsinki zeigt nun auf, dass mütterliche Stuhl-Transplantation nach der Geburt die Lösung sein könnte.

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Die Studie wurde Anfang Oktober 2020 vom Journal „Cell“ vorgestellt (1) und basiert auf der begründeten Annahme, dass während einer natürlichen Geburt geringe Mengen mütterlichen Kots vom Neugeborenen verschluckt werden. Eine bisher bekannte Methode, um den fehlenden mikrobiellen Einfluss auf Kaiserschnitt-Kinder auszugleichen, war der sogenannte Vaginal-Abstrich (2). Die aktuelle Studie legte den Fokus auf die Annahme, für die Entwicklung eines gesunden Darm-Mikrobioms sei weniger der Kontakt zum mütterlichen vaginalen Mikrobiom als mehr der Kontakt zum Darm-Mikrobiom während der Geburt verantwortlich.

Ein Forscherteam an der Universität Helsinki untersuchte 17 Frauen während ihrer Schwangerschaft auf Tauglichkeit. Zu diesem Zweck wurde etwa drei Wochen vor errechnetem Geburtstermin eine Stuhlprobe genommen und auf Pathogene untersucht. Dazu zählen unter anderem Viren wie HIV, Norovirus oder Hepatitis, außerdem Bakterien wie Clostridium difficile, Helicobacter pylori, B-Streptokokken und resistente Keime. Von den 17 Freiwilligen zeigten sich anschließend noch 7 Kandidatinnen als geeignet, deren Stuhl war nicht von oben genannten Pathogenen betroffen (nebenbei bemerkt eine interessante Quote!). Die Probe wurde dann aufbereitet und verdünnt und den Neugeborenen mit der ersten Milchmahlzeit (Flaschenmilch) verabreicht. Der Gesundheitszustand wurde für zwei folgende Tage sehr streng überwacht, um Erkrankungen auszuschließen.

Das Mikrobiom reagiert auf die zugeführten Bakterien

Keines der Kinder reagierte mit Beschwerden auf die zugeführte Stuhlprobe, auch die Vorsorgeuntersuchungen im Alter von zwei Tagen, vier Wochen und drei Monaten verliefen ohne Befund. Parallel dazu wurden Stuhlproben im Alter von zwei Tagen, danach wöchentlich bis zum Alter von einem Monat und schließlich mit drei Monaten genommen. Als Vergleichsgruppe dienten Proben von 29 vaginal entbundenen Kindern sowie 18 Kaiserschnitt-Kindern ohne Fäkaltransplantation. Auch wenn die Anzahl an untersuchten Kindern klein ist, ist das Ergebnis doch offensichtlich.

Während die vorgefundenen Mikroben der Versuchsgruppe und der natürlich geborenen Kinder sich anfangs noch stark unterschieden, so näherten sie sich bereits nach einer Woche deutlich einander an. Die mit Fäkaltransplantation behandelten Kaiserschnitt-Kinder nahmen eindeutig das Mikrobiom von vaginal entbundenen Kindern an. Wie schon vorherige Studien zeigen, weisen Kaiserschnittkinder (ohne Fäkaltransfer) einen höheren Anteil an Krankenhauskeimen wie die Gattungen Enterococcus und Klebsiella auf (3).

Hoffnung auf eine verbesserte Gesundheit

Kaiserschnittgeburten zählen unter Experten zu den einschneidenden Momenten, die über den Zustand des Mikrobioms und damit der Grundlage für die Gesundheit des Menschen für den Rest des Lebens entscheiden. Viele Kaiserschnittgeburten gelten medizinisch als unnötig, deswegen ist Aufklärung der Eltern dringend nötig. Gleichzeitig steigt bei manchen Eltern das Bewusstsein für die Thematik und die Unsicherheit ist plötzlich groß, wenn Indikationen für einen Kaiserschnitt vorliegen. Das führt soweit, dass Eltern das Risiko von Geburtskomplikationen gegen das Risiko von Kaiserschnittgeburten aufwiegen. Grundsätzlich ist das natürlich ein sinnvoller Gedankengang. Dennoch sollte die Möglichkeit des Fäkaltransfers für manche Eltern eine große Erleichterung darstellen.

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Die Behandlung darf aktuell noch nicht praktiziert werden, dazu ist noch weitere Forschung nötig, die die bisherigen Annahmen bestätigen muss und auch längerfristige gesundheitliche Beeinträchtigungen ausschließen kann. Deswegen raten die Wissenschaftler der Studie auch dringend davon ab, in Selbstversuchen einen Fäkaltransfer durchzuführen, um Vergiftungen von Neugeborenen (etwa durch Überdosierung) zu vermeiden. Dennoch dürfen wir zuversichtlich sein für die Darmgesundheit der kommenden Kaiserschnitt-Generationen.

Lisa Keilhofer
Lisa Keilhofer
Autorin

Lisa Keilhofer studierte an der Universität Regensburg. Sie arbeitet im Bereich Internationalisierung und als freiberufliche Lektorin.

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