von Lisa Keilhofer

Mikrobiom-Forschung an der TUM: Stuhlproben als Krankheitsindikator

Stuhlprobe
Stuhlproben können Hinweise auf Krankheiten geben. (Picture: © JPmotion2D, © BillionPhotos.com - stock.adobe.com)

Die Technische Universität München, kurz TUM, veröffentlicht regelmäßig ihre aktuellen Forschungsvorhaben und -ergebnisse im Magazin „Faszination Forschung“. Die Highlights der aktuellen Ausgabe (Februar 2020, Ausgabe 24) lassen schon auf der Titelseite unsere Herzen höherschlagen: „Ernährung und Gesundheit. Ballaststoffe: Warum sie essentiell für unsere Gesundheit sind. Mikrobiom: Das Ökosystem in unserem Darm. Innovative Genetik: Wie künstliche Intelligenz Pflanzenzüchtung revolutioniert“. Dass zwei von drei Themenschwerpunkte direkt oder indirekt mit unserer Mission zusammenhängen, bestätigt uns natürlich sehr in unserem Anliegen. Einen Artikel wollen wir besonders hervorheben, nämlich den über die Arbeit von Prof. Dr. Dirk Haller über das menschliche Mikrobiom.

Über Prof. Haller und seine Forschungsschwerpunkte

Zunächst wird im Artikel das menschliche Mikrobiom als solches relativ umfangreich erklärt. Ausgehend davon, dass die Zielgruppe des Magazins neben Wissenschaftlern hauptsächlich Alumni, Studierende und Angestellte der TUM umfasst, können wir schließen, dass selbst im Bereich der Akademiker das Wissen um das Mikrobiom noch immer nicht gut angekommen ist. Ein Umstand, den man leicht vergisst, wenn man sich täglich mit der Materie auseinandersetzt, der aber eine wichtige Information für unsere Arbeit ist: Aufklärungsarbeit ist noch immer nötig.

Prof. Dr. Dirk Haller leitet am Wissenschaftszentrum Weihenstephan für Ernährung, Landnutzung und Umwelt den Lehrstuhl für Ernährung und Immunologie. Er ist außerdem Sprecher des DFG Sonderforschungsbereichs „1371 Microbiome Signatures - Funktionelle Relevanz des Mikrobioms im Verdauungstrakt“. Sein wissenschaftliches Interesse am Mikrobiom, wie er selbst im Interview erklärt, habe sich über den Umweg der Ernährungswissenschaften ergeben. Im Laufe seiner Forschungen stellte sich die Frage, wie probiotische Bakterien in unserem Darm mit uns in Interaktion treten. Und an dieser Stelle geriet das bisherige Dogma ins Wanken, dass Darmzellen nur Pathogene aufnehmen. Im Gegenteil, auch und vor allem die harmlosen und sogar nützlichen Bakterien beeinflussen uns über den Darm. Was damals einer kleinen Revolution an Erkenntnis glich, lässt sich seit 2005 (also erst seit 15 Jahren!) durch Sequenzierung detailliert beschreiben.

Der faszinierende Kosmos, von dem Haller im Interview schwärmt, ist unseren Lesern bereits vertraut: hunderte verschiedener Spezies koexistieren friedlich in uns und interagieren mit uns. Der Forschungsschwerpunkt von Haller und seinem Team war fortan, die Kausalzusammenhänge zwischen gestörtem Mikrobiom und Krankheit zu verstehen und die Erkenntnisse für Prognosen, Diagnosen und Therapien verfügbar zu machen.

>>> Lese hier mehr zu "Auswirkungen eines gestörten Mikrobioms"

Es ist in unserem Kot – aber wie können wir es lesen?

Klar ist, dass der Lebenswandel einer Person sich eindeutig im Darm-Mikrobiom widerspiegelt. Dennoch kann man bislang nur generalisierende Aussagen über die Zusammensetzung treffen, das einzelne Mikrobiom ist nach wie vor so individuell wie ein Fingerabdruck (das bedeutet, anhand einer Stuhlprobe kann ein Mensch eindeutig identifiziert werden). Heute wie vor zwanzig Jahren versuchen Wissenschaftler wie Prof. Haller also herauszufiltern, wie sich Krankheiten eindeutig im Mikrobiom manifestieren. Dazu hat Haller in seinem Institut einen Bestand steriler Mäuse gezüchtet, also Tiere, die völlig keimfrei heranwachsen und an denen anschließend Versuche zum Darmmikrobiom durchgeführt werden können, ohne dass ihre individuelle Beschaffenheit die Ergebnisse verzerrt.

So kann man beispielsweise Aussagen darüber treffen, inwiefern genetische Prädisposition für den Ausbruch einer Krankheit verantwortlich ist. Reagiert dagegen eine Maus auf die Induktion von Kot einer kranken Maus, so können daraus Rückschlüsse auf einen Kausalzusammenhang zwischen bakterieller Mikrobiom-Komposition und Krankheit gezogen werden. Auch Behandlungen am Menschen mit der Übertragung eines intakten Mikrobioms zeigen durchschlagende Erfolge mit einer Quote von über 90%, etwa bei der Infektion mit Clostridium difficile.

Um welche Krankheiten geht es konkret?

Haller und ein paar andere Wissenschaftler weltweit arbeiten nun daran, zu klären, wie die Wechselwirkung von Mikrobiom und Krankheit aussieht. Wo ist die Ursache, wo die Auswirkung? Dabei geht es um Krankheiten wie Demenz, Autismus, Leberzirrhose, Darmkrebs, Morbus Crohn, Colitis ulcerosa oder Diabetes.

Eine ganze Reihe relativ häufiger Erkrankungen also, die aber an ganz unterschiedlichen Stellen in unserem Körper ausbrechen und womöglich alle über unser Darm-Mikrobiom zum günstigen Verlauf beeinflusst werden können.

So konnte bei Patienten, die unter Diabetes Typ 2 leiden, ein gewisser gestörter Biorhythmus im Darm-Mikrobiom festgestellt werden. Das Langzeitziel der Forschungen ist, bestimmte Marker im Mikrobiom zu identifizieren, die auf Typ 2 Diabetes schließen lassen, sodass eine Prognose möglich ist. Und idealerweise, so viel Zukunftsmusik sei erlaubt, könnte irgendwann das Mikrobiom auch dahingehend verändert werden, dass eben die Anfälligkeit für diese Krankheiten nicht mehr gegeben ist.

Die Untersuchungen zeigen einen klaren Zusammenhang zwischen westlichem Lebenswandel und verstärkter Anfälligkeit für Krankheiten wie Morbus Crohn, Reizdarm oder Diabetes. In diesem Zusammenhang fiel auch auf, dass Fettleibigkeit eindeutig mit ähnlichen Werten an chronischen Entzündungen im Zusammenhang steht, wie die oben genannten Krankheiten. Haller vergleicht das Ganze mit einem Kurzschluss, der das System lahmlegt. Bei manchen Menschen äußert sich der Defekt dann über Fettleibigkeit, bei anderen über Morbus Crohn. Die Annahme ist also, dass die so genannte Zivilisation, die die Industrialisierung mit sich bringt, in einer Weise das Mikrobiom verändert, die das Immunsystem anfällig für diverse Krankheiten macht.

>>> Lese hier mehr zu "Störungen im Verdauungstrakt"

Das Gewicht des „Outputs“ sagt viel über die Gesundheit aus

In einer weltweiten Übersicht über das tägliche Gesamtgewicht an ausgeschiedenem Stuhl ist offensichtlich, dass Industrienationen mit ballaststoffarmer Ernährung niedrige Mengen an Stuhl-Gewicht „produzieren“. Vergleicht man Europa etwa mit Zentralafrika, zeigt sich, dass das Gewicht von Stuhl in Afrika teilweise 6,5mal so hoch ist wie der in Europa (vgl. Uganda 470g/ Tag, Schottland 72g/ Tag).

Das klingt sehr vereinfacht und ist es auch – es steht noch einiges an Forschungsarbeit an, um die Funktionalität des Mikrobioms vollständig zu verstehen und auch die Frage nach den Kausalzusammenhängen definitiv beantworten zu können. Auch die individuellen Ausprägungen müssen mit in Betracht gezogen werden. Dennoch ist einigermaßen offensichtlich, dass ein beeinträchtigtes Mikrobiom diverse negative Effekte bis hin zu Krebs mit sich bringt. [nbsp]

Haller formuliert seine Ziele folgendermaßen: Am Ende der 12 Jahre, die der Sonderforschungsbereich 1371 umfasst, möchte er die Frage beantworten können, mit welchen Krankheiten ein gestörtes Mikrobiom assoziiert ist und welche Rolle es konkret spielt. Wir sind gespannt auf die weiteren Entwicklungen in dieser Richtung, wünschen Prof. Haller und seinem Team viel Erfolg und halten euch selbstverständlich auf dem Laufenden!

Lisa Keilhofer
Lisa Keilhofer
Autorin

Lisa Keilhofer studierte an der Universität Regensburg. Sie arbeitet im Bereich Internationalisierung und als freiberufliche Lektorin.

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