von Cara Koehler

An der Oberfläche kratzen: Verbessert ein intaktes Haut-Mikrobiom die Gesundheit?

Verbessert ein intaktes Haut-Mikrobiom die Gesundheit?
Untersuchungen zum Haut-Mikrobiom „beleuchten“ ärgerliche Umstände wie Akne oder Ekzeme.

Die Forschung zum Darm-Mikrobiom kann inzwischen erfreuliche Fortschritte vorweisen. In den letzten 10 Jahren sind Wissenschaftler allerdings zu dem Schluss gekommen, dass es an der Oberfläche unseres Körpers genauso viel zu entdecken gibt  wie im Inneren. Untersuchungen zum Haut-Mikrobiom „beleuchten“ so ärgerliche Umstände wie Akne oder Ekzeme.

Genetiker wie Julie Segre vom US National Human Genome Research Institute in Bethesda, Maryland, zeigen sich vorsichtig optimistisch über die aktuellen Forschungen zu Mikroben, die auf der Haut leben. Das Faszinierende an diesen ist, dass sie möglicherweise sowohl Ursache als auch Lösung für Hautkrankheiten sind. Zwar bemüht sich Julie Segre zu betonen, dass die Wissenschaft in diesem Feld „wirklich noch ganz am Anfang“ steht, aber – so viel ist sicher – jeder Durchbruch würde nicht nur unsere täglichen Hygienerituale grundsätzlich verändern, sondern ganze Industriezweige wie die Pharma- und Kosmetikindustrie beeinflussen.

Von innen nach außen: erst der Darm, jetzt die Haut.

Den Darm kann man sich wie einen Spielplatz vorstellen, auf dem ganz verschiedene Kinder zusammenkommen: dort treffen sich die größten Vorkommen an Mikroben im ganzen Körper und „spielen“, das heißt sie interagieren miteinander. Die Auswirkungen betreffen potenziell Ernährung, Verdauung und Immunsystem. Und genau wie auf einem Spielplatz kommt manchmal Gutes dabei heraus (neue Freundschaften!) und manchmal weniger Gutes (Sandkastenstreit). Zoomen wir also nach draußen, zu einem anderen Treffpunkt für Millionen von Mikroben: Zu unserer Haut. Sie ist die erste Abwehrlinie unseres Körpers gegen Verletzungen und Krankheiten und konsequenterweise im Interessensfeld von Wissenschaftlern. Und genau wie beim Darm-Mikrobiom ist die Zusammensetzung des Haut-Mikrobioms über die Zeit gesehen bemerkenswert konsistent (Sohn 2018). Und das spannendste Detail daran ist, dass jedes einzelne menschliche Mikrobiom seine ganz individuelle Zusammensetzung hat.

Wer unsere Webseite und unsere Artikel verfolgt, der weiß bereits, welche Lebensphase die Entscheidende für die Entwicklung des Mikrobioms ist: die ersten Lebensmonate. Das ist genau die Hypothese der Dermatologin Tiffany Scharschmidt in einer ihrer ersten Studien über die Beziehung von Haut-Mikrobiom und Immunsystem. Scharschmidt fand an der University of California, San Francisco in Versuchen heraus, dass erwachsene Mäuse den auch bei Menschen vorkommenden Erreger Staphylococcus epidermidis tolerieren, wenn dieser kurz nach der Geburt ihre Haut besiedeln darf (Sohn 2018). Wenn aber Mäuse im Erwachsenenalter zum ersten Mal mit dem Erreger konfrontiert werden, löst dies entzündliche Reaktionen aus, die die Wundheilung hemmen, so Scharschmid. Kurz: es ist sehr wahrscheinlich, dass wir in den ersten Lebensjahren immer wieder mit den Erregern konfrontiert werden müssen, um Immunität gegen diese zu entwickeln. Es scheint also, dass man Babys gar nicht genug mit Mikroben in Kontakt bringen kann. Aber das ist leichter gesagt als getan.

Naja, nicht ganz! Es gibt da zum Beispiel eine Studie zu entzündlichen Hautirritationen wie Neurodermitis, die häufigste Form von Ekzemen, aus dem Jahr 2009. Ein Forscherteam aus Dermatologen und Immunologen um Richard Gallo fand an der UC San Diego heraus, dass es eine Sorte von Staphylokokken gibt, die vor anderen schützt. Alleine in der USA leiden 18 Millionen Menschen unter Ekzemen. Zwar sind die offensichtlichen Merkmale von Ekzemen allseits bekannt – entzündete, juckende Hautpartien – aber die wenigsten Menschen wissen, dass Ekzeme auch anfälliger für Infektionen machen. Schuld daran ist die bakterielle Komponente der Ekzeme, S. aureus Bakterien, die auf den betroffenen Hautpartien in dem Maß zunimmt, in dem die Mikrobiom-Vielfalt abnimmt.

Wie können wir da so sicher sein? Vorläufige Beweise liefert eine Studie des US National Cancer Institute aus dem Jahr 2017. Diese Studie kolonisierte auf gesunden Mäusen S. aureus Bakterien von 18 Kindern, davon manche mit und manche ohne Ekzeme. Die Mäuse, die die Bakterien der Kinder mit Ekzem bekamen, entwickelten letztendlich die charakteristischen Symptome: entzündete, geschwollene Haut.

Nicht rumdrücken! Von Ekzemen zu Akne vulgaris

Ekzeme sind schon schlimm genug für die Betroffenen, aber manche finden das schlimmste daran, dass sie einfach nicht ihre Finger (mit noch mehr gefährlichen Bakterien) von der irritierten, Akne-beschädigten Haut lassen können. Die so genannte Akne vulgaris ist nicht nur äußerst schmerzhaft, sie ist auch ein soziales Stigma, das neben den körperlichen vor allem auch emotionale Narben bei den betroffenen Jugendlichen, hinterlässt. Es ist seit Jahrzehnten bekannt, dass sich das Bakterium Cutibacterium acnes (früher Propionibacterium acnes) bevorzugt auf Akne-infizierter Haut festsetzt, was bis zu 85% der Teenager betrifft, schreibt Emily Sohn in „nature: International journal of science“. Forschungen an der UCLA von Huiying Li zeigten, dass sowohl auf betroffener als auch auf Akne-freier Haut ein relativer Überfluss an C. acnes Bakterien vorliegt. Den wesentlichen Unterschied macht die Populationsdichte in den betroffenen Hautpartien. Es gibt über 120 verschiedene Formen von C. acnes, sie alle zu sequenzieren ist also reine Liebhaberei. Li stellt aber die These auf, dass Medikamente Akne-Patienten dann helfen, wenn sie virulente Stämme von C. acnes bereinigen oder auf Porphyrine abzielen (Moleküle, die in Hautzellen Entzündungen auslösen, kommen in C. acnes Stämmen von Akne-Patienten häufiger vor).

Obwohl die Forschung am Haut-Mikrobiom noch in den Kinderschuhen steckt, ist sie sowohl für Wissenschaftler als auch für Verbraucher interessant, weil sie großes Potenzial mitbringt, sowohl unsere Hygienegewohnheiten als auch die zugehörige Industrie maßgeblich zu verändern. Wenn auch wir in einer Gesellschaft leben, in der unschöne Erkrankungen wie Akne und Ekzeme kulturell stigmatisiert sind, sollten wir nicht vergessen, dass die Forschung in diesem Feld weit darüber hinaus geht, als nur die Schönheitsideale umzukrempeln. Zum einen soll eine bessere Gesundheit erlangt werden und die Haut als erste Front gegen Krankheiten und Angriffe von außen ist die Basis dafür. Wenn aber in 10 Jahren alle Cremes und Puder basierend auf Erkenntnissen der Mikrobiom-Technologie immer noch nicht ihren Zweck erfüllen, wird sich die Wissenschaft vielleicht wieder unter die Oberfläche zurückziehen, um in der Darmflora die Grundlagen für ein gesundes Äußeres zu legen.

Source:
Scharschmidt, T. C. et al. Immunity Vol. 43, Issue 5: pp. 1011–1021 (2015).
https://www.cell.com/
https://www.nature.com

 

Cara Koehler
Autorin

Cara Koehler, geb. in Chicago, Illinois (USA) hat ihr Master-Studium in Deutschland an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg erworben, wo sie zur Zeit als Doktorandin tätig ist. Sie arbeitet dazu freiberuflich als Übersetzerin und Lektorin wissenschaftlicher Texte.

Dir gefällt was du gelesen hast? Teile es mit deinen Freunden!

Zurück

Datenschutz­einstellungen

Wenn Sie auf „Alle akzeptieren“ klicken, stimmen Sie der Speicherung von Cookies auf Ihrem lokalen Gerät zu. Dadurch verbessert sich die Navigation auf der Seite, Videoinhalte können dargestellt werden und wir können anonym analysieren, ob die Seiten so genutzt werden, wie gedacht. Alle Freigaben erfolgen nach den Vorschriften der DSGVO.

You are using an outdated browser. The website may not be displayed correctly. Close