von Lisa Keilhofer

Voraussetzungen für eine rasche Erholung nach Antibiotika-Gabe

Antibiotika-Kur
Antibiotika-Kuren gehören nach wie vor zum Standard-Repertoire der Medizin. (Picture: © Pixel-Shot - stock.adobe.com)

Anfang Juli 2020 veröffentlichten Forscher der Universität Singapur und des GIS (Genome Institute of Singapore) eine Studie, die die Beschaffenheit des Darm-Mikrobioms untersuchte und einen Zusammenhang zwischen vorliegenden Mikrobiomen und einer raschen Erholung nach Antibiotika-Gaben herstellen konnte (1). Diese Ergebnisse sind sehr bedeutsam, da Antibiotika nach wie vor zu den Standardmedikamenten weltweit zählen. Gleichzeitig ist bekannt, dass neben den zu zerstörenden Pathogenen auch weite Teile der nützlichen Mikroben dezimiert werden und sich manche Patienten schneller erholen, manche aber weniger schnell.

Antibiotika und deren Auswirkungen

Antibiotika-Kuren gehören nach wie vor zum Standard-Repertoire der Medizin. Seit der Entdeckung des ersten Antibiotikums konnten bereits viele Leben gerettet und Krankheiten verkürzt werden. Gleichzeitig steigt die Tendenz, Antibiotika als Generalwaffe für jedes Leiden einzusetzen, quasi „um auf Nummer Sicher zu gehen“. Die Kehrseite der Medaille ist eine zunehmende Resistenzbildung bei Bakterien gegen Antibiotika und damit einhergehend eine drohende Gefahr durch die Entstehung multiresistenter Keime.

Artikel-Empfehlung: Lest hier die ausführliche Geschichte über Antibiotika (2)

Mediziner weltweit warnen bereits vor überzogenem Einsatz von Antibiotika (3). Vor allem das noch in der Entwicklung begriffene Mikrobiom von Kindern leidet enorm unter dieser Art der Medikation. Eltern können sich unter anderem im Film „Let them eat dirt“ ein Bild von der Situation machen (4). Denn wie der Name schon sagt, wirken Antibiotika anti-biotisch, also gegen alles Lebende, wobei konkret Bakterien gehemmt oder abgetötet werden. Neben pathogenen Keimen, werden also leider auch reihenweise nützliche Mikroben in uns vernichtet.

Einer der ausführenden Wissenschaftler eingangs genannter Studie, Dr. Niranjan Nagarajan, (Associate Director GIS) vergleicht die Wirkung mit einem alles vernichtenden Waldbrand. Erst wenn das Feuer gelöscht ist, kehrt langsam Flora und Fauna zurück (1). Dass diese Besiedelung einigermaßen zügig vonstattengeht, ist essenziell für die weitere Gesundheit des Patienten, denn das Darm-Mikrobiom hat eine Reihe „systemrelevanter“ Funktionen inne, wie man im Jahr 2020 so schön sagt. Unter anderem ist es für die Immunabwehr zuständig und hilft bei der Verwertung von Nahrung. Die Mikroben helfen beim zersetzen aufgenommener Substanzen und liefern Stoffwechselprodukte, die für unseren Körper von großer Bedeutung sind.

Relevante Bakterien für den Wiederaufbau

Die Studie, die auch im Journal „nature, ecology and evolution“ veröffentlicht wurde (5), identifizierte vor allem Bakterien, die Enzyme zur Zersetzung von Kohlenhydraten enthalten, als Schlüsselkomponenten eines resilienten Darm-Mikrobioms. Diese Bakterien sind in der Lage aus zugeführter kohlenhydratreicher Nahrung Stoffwechselprodukte zu bilden, die nicht nur dem Wirt (also uns) nützen, sondern auch die anderen im Darm ansässigen Mikroben mit Energie versorgen und so eine solide „Nahrungsgrundlage“ für die Entstehung einer neuen Diversität an Mikroben bilden.

Damit leistet das Forscherteam einen wichtigen Beitrag zur Forschung um die Folgen von Antibiotika-Gaben. Prof. Patrick Tan, Executive Director am GIS, unterstreicht die hohe Relevanz dieser Erkenntnisse: „Das Team arbeitet an Folge-Studien, um die Mechanismen und Synergien zu identifizieren, die verantwortlich für den Wiederaufbau des Darm-Mikrobioms [nach einer Antibiotika-Kur] sind. Letztendlich hoffen wir, durch Gaben von Prä- oder Probiotika zu einem schnellen Wiederaufbau beitragen zu können“.

Prä- und Probiotika nach Antibiotika

Diese vorsichtige Aussage eines Wissenschaftlers lässt auch erkennen, wie der aktuelle Stand um Prä- und Probiotika-Kuren nach Einsatz eines Antibiotikums zu bewerten ist. Zwar gibt es zahlreiche Anbieter solcher Kuren, die damit werben, die negativen Effekte von Antibiotika auszugleichen, viele davon sind aber medizinisch wertlos. Der Einsatz von Prä- und Probiotika ist eine hochkomplexe Angelegenheit. Kunden sollten sich möglichst kritisch mit einem Produkt auseinandersetzen, indem sie die Verpackungshinweise genau lesen. Viele Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln geben keine aussagekräftigen oder validen Angaben zu den Bakterienstämmen, Lebendkeimzahlen, zur Magensäureresistenz oder zur Herstellungspraxis. Arzneimittelhersteller haben meist höhere Kontrollstandards, weshalb man diese vorziehen sollte, aber im Grunde sollte jede ernstzunehmende Probiotika-Kur unter ärztlicher Aufsicht erfolgen.

Dennoch ist festzuhalten, dass die A-STAR Studie nur „erste Erkenntnisse“ liefert, ein Patentrezept ist bislang noch in ferner Zukunft und vermutlich wird es „das“ Patentrezept auch nicht geben. Wir empfehlen euch hierzu folgende Lektüre:

Zusammenfassend bleibt also zu sagen, dass die Erkenntnisse ein sehr wichtiger erster Schritt sind, dass aber noch eine ganze Reihe von Folgeuntersuchungen anstehen. Ob es jemals „die“ Probiotika-Kur geben wird, die alle negativen Effekte auffängt, steht noch in den Sternen. Deswegen sollte unser oberstes Ziel weiterhin sein, den Einsatz von Antibiotika grundsätzlich möglichst niedrig zu halten, um einerseits unser Mikrobiom zu schützen und andererseits die Entstehung von multiresistenten Keimen zu verhindern. Und da von Seiten der Medizin noch mit zu wenig Augenmaß vorgegangen wird, sehen wir unsere größte Chance in der Aufklärung und hoffen, dadurch viele mündige und kritische Patienten zu generieren. Wir freuen uns, wenn ihr eure Erkenntnisse weitergebt.

Lisa Keilhofer
Lisa Keilhofer
Autorin

Lisa Keilhofer studierte an der Universität Regensburg. Sie arbeitet im Bereich Internationalisierung und als freiberufliche Lektorin.

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