von Lisa Keilhofer

Zunahme von Multiresistenzen durch Antibiotika – und Zahnbürsten

Zahnbürsten unhygienisch
Dass Zahnbürsten zu den tendenziell unhygienischeren Orten in unserem Badezimmer gehören, mag zwar der Durchschnittsmensch nicht wahrhaben, war aber unter Experten schon lange klar. (Picture: © Dmytro Flisak - stock.adobe.com)

Multiresistente Keime stellen ein Schreckensszenario für die Medizin dar. Gemeint sind Pathogene (Viren oder Bakterien), die gegen mehrere verschiedene oder auch gegen alle bekannten Antibiotika und Virostatika resistent sind. Diese entwickeln sich aus „normalen“ Keimen und passen sich durch die Entwicklung von Antibiotikaresistenz-Genen (AGBs) dergestalt an den Druck ihrer Umwelt an, dass sie quasi zu Über-Keimen oder Superkeimen mutieren. Eine Behandlung mit regulären Antibiotika ist dann wirkungslos (1).

Klingt wie ein Science-Fiction Film? Leider sehen viele Wissenschaftler die Vorherrschaft der Multiresistenzen in unmittelbarer Zukunft. Eine eindringliche Dokumentation des Fernsehsenders Arte warnt vor diesem Szenario (2). Zwar hält die WHO ein paar „Reserveantibiotika“ vor, also solche, die normalerweise nicht zum Einsatz kommen und gegen die deswegen auch noch keine Resistenzen gebildet werden konnten. Aber auch diese Notfallreserve kommt immer häufiger zum Einsatz. Und das nicht nur in der Humanmedizin, wie investigative Nachforschungen zeigen, sondern vor allem auch im schlecht regulierten Bereich der Lebensmittelindustrie (3).

Was können wir tun?

Dabei gehören Antibiotika medizinisch gesehen zu den wichtigsten Entdeckungen der Menschheit. Viele schwere Krankheitsverläufe konnten damit schon gemildert und verkürzt werden. Es geht also darum, den Einsatz dieser schlagkräftigen Waffe auch für die wirklich schweren Verläufe aufzuheben.

Zu einem verantwortungsvollen Umgang mit Antibiotika gehört neben nur notwendiger ärztlicher Verordnung auch ein aufgeklärtes Konsumverhalten. Auch damit kann man zur Vermeidung von Multiresistenzen beitragen. Ein weiteres erstaunliches Beispiel finden wir in unserem Badezimmer. Ein kürzlich vom SPIEGEL veröffentlichtes Interview mit Prof. Dr. Markus Egert (Lehrstuhl für Mikrobiologie, Hochschule Furtwangen), entlarvt Zahnbürsten als potenzielle Brutstätten für multiresistente Keime (4).

Was lebt auf unseren Zahnbürsten?

Dass Zahnbürsten zu den tendenziell unhygienischeren Orten in unserem Badezimmer gehören, mag zwar der Durchschnittsmensch nicht wahrhaben, war aber unter Experten schon lange klar. Während wir intuitiv den Toilettensitz als eklig einstufen, ist dieser durch seine glatte Oberfläche und in der Regel vorherrschende Trockenheit relativ keimarm. Zudem reinigen wir diesen offensichtlich verstärkt kontaminierten Ort intuitiv auch regelmäßig. Anders sieht es dagegen bei unserer Zahnbürste aus. Diese behandeln wir oft ein wenig stiefmütterlich, wechseln sie viel zu selten und gewähren Bakterien deswegen enormen Vorschub.

Egert erklärt, wie das Ökosystem Zahnbürste aussieht: „Antimikrobielle Wirkstoffe aus der Zahnpasta und Mundwasser und der ständige Wechsel zwischen feucht und trocken bedeuten enormen Stress für die meisten Mikroben“. Die Mikroben, die wir hier finden, holen wir zum einen aus unserem Mundraum, wie zu erwarten war. Neben Spuren aus unserem oralen Mikrobiom finden wir aber auch Darm-Bakterien auf unseren Zahnbürsten, ebenso Bakterien aus der Umwelt. Das feuchtwarme Klima zwischen den Borsten zieht praktisch alles an, was sich im Badezimmer aufhält.

Detaillierte Untersuchungen zur mikrobiellen Zusammensetzung auf Zahnbürsten thematisierte eine Studie von Blaustein et.al., veröffentlicht im Microbiome Journal (5). Die Autoren der Studie untersuchten 34 Zahnbürsten und sequenzierten die daraus entnommenen Proben. Dabei konnte festgestellt werden, dass neben Mikroben aus dem menschlichen Mikrobiom (vor allem natürlich orales Mikrobiom, aber auch Haut, vaginales Mikrobiom, Darm usw.) auch Keime aus der Umgebung in den Zahnbürsten zu finden waren. Folgendes Vorkommen listeten die Wissenschaftler auf: Streptococcus, Staphylococcus, Pseudomonas, Poryphromonas, Parvimonas, Lactobacillus, Klebsiella, Fusobacterium, Escherichia und Enterococcus.

Die differenzierte Auswertung ergab, dass die individuelle Besiedlung der Zahnbürste von diversen Faktoren abhängt. Alter und Gesundheitszustand des zugehörigen Menschen, um bei den offensichtlichsten anzufangen, über Umwelteinflüsse wie Fenster im Bad, chemische Zusammensetzung der verwendeten Körperpflege - oder Reinigungsmittel usw. Auch der Abstand zur Toilette lässt sich ermessen bzw. ob eine Spülung bei geschlossenem oder geöffnetem Deckel erfolgt.

Warum wir unsere Zahnbürste regelmäßig wechseln sollen

Interessanterweise förderte die Auswertung auch zutage, dass sich in den 34 untersuchen Zahnbürsten ganze 158 antibiotikaresistente Gene befanden und zwar ursprünglich aus Backenschleimhaut, Zunge, Plaquebildungen usw.. Auf die einzelne Zahnbürste umgerechnet, züchten wir also statistisch gesehen pro Bürste rund 22 solcher potentieller Resistenzen und damit deutlich mehr als die durchschnittlich rund 14 verschiedene Resistenz-Gene, die unser orales Mikrobiom beinhaltet.

Wie sich der Anstieg der Resistenzen klärt, erläutert der oben erwähnte Mikrobiologe Prof. Dr. Egert im Spiegel-Interview: Das Ökosystem Zahnbürste ist von extremen Bedingungen gekennzeichnet: Zweimal täglich müssen die hier ansässigen Mikroben Feuchtigkeit, mechanische Einwirkung und den Einsatz von anthropogenen, antimikrobiellen Chemikalien, wie Chlorhexidin und Triclosan ertragen, während dann über 10 bis 12 Stunden extreme Trockenheit vorherrscht. Diesen enormen Druck überleben nur die widerstandsfähigsten Keime.

Und natürlich überleben auch nur diejenigen, welche sich resistent gegen den Einfluss dieser antimikrobielllen Inhaltsstoffen aus Mundhygieneprodukten wie Zahnpasta, Mundspülung oder Zahnseide zeigen. Vor allem Resistenzen gegen Triclosan und verschiedene Antibiotika konnte die Auswertung von Blaustein et. al. belegen. Und genau da setzt die Warnung von Mikrobiologen wie Egert an. Triclosan ist ein nicht-klinisches antimikrobielles Mittel, das häufig (vor allem in den USA) in den genannten Mundhygieneprodukten eingesetzt wird. Und damit könnte es exakt das Gegenteil von dem erreichen, was eigentlich geplant wäre: Statt einer leicht antimikrobiellen, reinigenden Wirkung in der Zahnpasta, wird die Bildung von Resistenzen auf Zahnbürsten gefördert. 

Triclosan wird neben Mundhygieneprodukten verstärkt im klinischen und zahnärztlichen Bereich für die Desinfektion verwendet. Die Ergebnisse der Studie deuten also darauf hin, dass dieser Wirkstoff im Falle von flächendeckenden Resistenzen seine Wirksamkeit verlieren könnte. Um dies (und weitere Resistenzen) zu verhindern, sollten wir also darauf achten, regelmäßig unsere Zahnbürste zu wechseln, sowie sie nach jedem Gebrauch möglichst gründlich auszuspülen und vor allen Dingen gut zu trocknen. Außerdem ist es natürlich sinnvoll die Inhaltsstoffe der verwendeten Mundhygiene-Produkte vor Verwendung zu prüfen.

Lisa Keilhofer
Lisa Keilhofer
Autorin

Lisa Keilhofer studierte an der Universität Regensburg. Sie arbeitet im Bereich Internationalisierung und als freiberufliche Lektorin.

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